Stadt Lichtenau

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Stadt. Geschichte. Emotionen.

Lichtenau (ar). Stehenden Applaus gab es am Samstagabend in der Eichwaldhalle Muckenschopf für 725 Jahre Stadtgeschichte Lichtenau und für einen Mann, der die Anwesenden auf eine emotionale Reise in die Vergangenheit mitnahm. Patrick Götz, Stadtarchivar in Lichtenau, bewies in seinem bebilderten Vortrag, wie lebendig Geschichte sein kann und wie sehr sie die Menschen prägt.
Seit 1998 beschäftigt sich Patrick Götz als Archivar mit der Vergangenheit des Hanauerstädtchens Lichtenau. Er durchforstete Keller und Speicher, Ordner und Akten in den Stadtteil Rathäusern, sammelte Berge von Protokollbüchern und Fotos, auch die vom TV Lichtenau und Doris Stengel angebotenen Fotos, fand so manche historische Kostbarkeit. Im März dieses Jahres erhielt er den Auftrag, für das Doppeljubiläum 725 Jahre Stadtrechte Lichtenau und 50 Jahre Gesamtstadt Lichtenau einen geschichtlichen Vortrag vorzubereiten.
„Ich wusste, ich muss ihn über Emotionen aufbauen, damit er spannend wird“, sagte Götz. Unzählige Stunden, auch viele Nachtschichten, verbrachte er in der Lichtenauer Geschichte, bis sein Vortrag mit rund 300 Seiten, aufgearbeiteten Fotos und zusammengeschnittenen Filmen vorlag.
Es war die letzte Veranstaltung im Jubiläumsjahr der Stadt. „Stadt. Geschichte. Emotionen“, so der Titel des Vortrags, zu dem weit über 200 Lichtenauer Bürgerinnen und Bürger gekommen sind. „Emotionen prägen eine Stadt, sie sind Teil der Stadtgeschichte“, begrüßte Patrick Götz die geschichtsinteressierten Besucher. Er präsentierte eine Stadt, die verbindet, die für Wut sorgt oder manchmal Angst macht. „Vor 725 Jahren selbst aus dem nichts entstanden, ist sie vor 50 Jahren für Ulm, Scherzheim, Muckenschopf und Grauelsbaum zum Gemeinschaftsverbund geworden, zu einer Allianz, die von Emotionen geprägt ist“, so Götz.
Über dem gesamten Vortrag hangen Gefühle wie Glaube, Empörung, Nostalgie, Stolz, Bewegung, Hass, Liebe, Angst, Geborgenheit, Überraschung, Lust, Wut und Verbundenheit, die den größten Part erhielt. Beeindruckend konnte Patrick Götz den Zuhörern vor Augen führen, wie eng all diese Gefühle miteinander verwoben sind und wie weit sie bis in die heutige Gegenwart reichen. Vieles änderte sich Laufe der Jahre, die Mode, der Zeitgeist, doch stets mit der Gegenwart eng verbunden ist die Geschichte, die sich oft wiederholt.
Der Stadtarchivar ging mit den Besuchern zurück bis zu den eisenzeitlichen Kelten mit ihrer spirituellen Kraft der Natur. Keltische Münzen wurden bei Ulm gefunden, ein keltischer Bronzearmreif bei Scherzheim. Wie ein roter Faden ziehen sich Glaubensfragen durch die 725-jährige Geschichte der Stadt. Götz verheimlichte dabei nicht das Aufkommen der NSDAP, eines „irdischen Ersatzgottes“, der die Lichtenauer blendete und die jüdische Bevölkerung zum Feindbild werden ließ.
Empörung gab es in der Stadt, als Adolf Nöltner aus Ulm in seinem Gasthaus Ochsen einen neuartigen Kinematographen aufstellte und Lichtspiele, manchmal auch zu viel nackte Haut, vorführte. Es war der Beginn eines der ältesten Landkinos in Baden. Schnakenplagen, kein Phänomen der heutigen Zeit, es gab sie bereits vor 400 Jahren am Rhein. Und es gab Gold im Rhein. Das gewonnene Rheingold wurde bei Apotheker Wagner in Lichtenau eingeschmolzen.
Geradezu idyllisch zeigte sich in Götz Vortrag und den Fotos die Hauptstraße mit ihren zahlreichen Blumenkübel, auf der Hühner ebenso flanieren wie die Menschen. Über das zu schnelle Fahren der ersten Autos ärgerten sich viele, so dass 1906 die ersten Verkehrsschilder aufgestellt wurden. „Langsam fahren! 12 Km in der Stunde“, war darauf zu lesen. Welcher Haken in die heutige Zeit, denn heute dürfen die Autos nur noch mit 30 km/h durch die Orte in Lichtenau fahren. Erinnert wurde an die MEG Diesellock, die dampfend im Filmausschnitt zu sehen war.
Stolz ist man in Lichtenau bis heute auf die Traditionen im Hanauerland, die nur durch Liebe und Heirat zustande kam. Stolz sein können die Lichtenauer auf Tausende von Geschehnissen, Alleinstellungsmerkmale und die Ausdauer, mit der sie mit all ihren Emotionen 725 Jahre Stadtgeschichte geprägt zu haben.
„Es gab viele Oh- und Aha-Momente“, sagte Bürgermeister Christian Greilach am Ende des zweieinhalbstündigen, aber zu keiner Zeit langweiligen Vortrags. Patrick Götz habe mit viel Herzblut und vielen Emotionen die Stadt und ihre Geschichte nähergebracht und immer wieder Vergangenheit mit Gegenwart verbunden.
 

Text und Bild von Anne-Rose Gangl
Text und Bild von Anne-Rose Gangl

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